In der Trendstudie „Progressive Provinz – Die Zukunft des Landes“ identifiziert das von Matthias Horx gegründete Zukunftsinstitut, Frankfurt/Wien, sechs Archetype an Dörfern der Zukunft:
Typ 1: Das Downshifting-Dorf
Dörfer, die in gut erreichbarer Entfernung einer Großstadt oder eines Ballungsraumes liegen und einen radikalen Kontrast zur Urbanität darstellen. Hier ist alles beschaulicher, gemächlicher, langsamer. Hierher findet, wer einen Gang herunterschalten will, echte Entschleunigung. Landromantik im Dorf, intakte Natur um das Dorf herum, sind die Hauptattraktionen des Ortes.
Die Downshifting-Dörfer sehen zwar aus wie aus dem Bilderbuch, sind deshalb aber längst nicht aus der Zeit gefallen. Sie sind weltoffen und sogar ein wenig hip, selbst wenn die Bewohnerinnen und Bewohner das nicht so gern zugeben wollen.
Typ 2: Der kreative Hub
Hier treffen sich Individualistinnen und Individualisten mit sehr persönlichen Vorstellungen davon, wie sie sich selbst verwirklichen wollen. Die Freiheit, die ihnen das Dorf bietet, ist ein entscheidender Faktor für stadtmüde Kreativarbeiterinnen und -arbeiter, die ihrem Beruf – oder ihrer Berufung – eigentlich überall nachgehen können. Die kreativen Hubs finden sich in der Nähe größerer Städte. Kennzeichen sind Wohnformen, die das Co-Working von Anfang an mitdenken. Als kreativer Hub ist das ganze Dorf eine Netzwerkressource. Den Kreativ-Hub zeichnen neue gemeinschaftliche Wohnprojekte aus, die neuen Bewohnerinnen und Bewohner finden sich oft bereits über das Internet in der Großstadt und verwirklichen einen gemeinsamen Traum auf dem Land. Gemeinsam werden große Gutshöfe, ehemalige Krankenhäuser oder Schulen, sogar ganze Industrieareale erworben, die zusammen saniert und umgebaut und später in einer solidarischen Gemeinschaft bewohnt werden.
Typ 3: Die Einsteiger-Kommune
Menschen, die heute für eine bessere Welt kämpfen sind keine Zivilisationsflüchtigen – keine Aussteiger, sondern Einsteiger: Sie konfrontieren Ungerechtigkeit, gesellschaftliche Fehlentwicklungen und Zukunftsprobleme, indem sie die Ärmel hochkrempeln und visionäre Gegenentwürfe realisieren. Der Vorteil der Visionäre und Visionärinnen: Sie sind viele – und längst nicht mehr nur weltfremde Hippies, sondern kommen aus allen möglichen gesellschaftlichen Nischen. Die Einsteiger sind eine Community mit hohen moralischen Ansprüchen. Politische Mitbestimmung und Basisdemokratie sind Grundlage ihrer Lebensweise, ebenso das Selbstversorgerprinzip, in biologischer Landwirtschaft. Für sie ist die utopische Gesellschaft kein abstraktes Ideal, sondern gelebte Wirklichkeit.
Typ 4: Die Bio-Oase
Viele, früher kleine Biohöfe entwickeln sich zu Versorgungsknotenpunkten, die ihrer Größe nach ganzen Dörfern gleichkommen. Das sind die Bio-Oasen, aus denen heraus eine immer weiter steigende Nachfrage nach gesunden, nachhaltig angebauten und geernteten Landwirtschaftserzeugnissen bedient wird. Dabei ist der strengste Standard oftmals gerade gut genug, z.B. Demeter-Produkte. Die Höfe entwickeln sich dabei zu Treff- und Kommunikationsmittelpunkten, in die man nicht nur zum Einkaufen kommt. Es werden thematisch passende Aus- und Weiterbildungen angeboten, altes Handwerk, Kunstateliers, Gesundheits- und Entspannungskurse sowie Praxen beispielsweise von Heilpraktikern und Psychotherapeuten runden das Angebot ab.
Typ 5: Das Health Village
Nicht alle Dörfer profitieren vom Zuzug junger Familie. Das muss aber nicht negativ sein, ganz im Gegenteil, viele Senioren und Seniorinnen sind finanziell gut ausgestattet und erlebnishungrigen Free Ager. Voraussetzung für einen aktiven Lebensstil sind eine gute Vorsorge- und Gesundheitsinfrastruktur. Deshalb werden immer mehr Dörfer systematisch zu kleinen Gesundheitszentren weiterentwickelt – Health Villages, die konsequent auf den Lebenskomfort einer alternden Bevölkerung ausgerichtet sind. Die Versorgung ist dabei stets auf dem neuesten Stand der Technik und des Möglichen, vieles was in diesen Dörfern zunächst in Feldversuchen ausprobiert wird, entwickelt sich später einmal zum Standard.
Typ 6: Das Energiedorf
Ukrainekrieg, Klimawandel, Ressourcenknappheit, all das sind wichtige und gute Argumente für einen ganzheitlichen Ansatz, der einerseits Einspar-, Erzeugungs- und Abnahmepotenziale vor Ort offenlegt und andererseits die lokale Bevölkerung an dem ökonomischen Nutzen der Projekte teilhaben lässt. Energiedörfer bauen auf Nahwärmenetze, Bio-Gas, Solar und Windkraft und produzieren über den eigenen Bedarf hinaus Energie, die damit zu einem lokalen Wirtschaftsgut wird. Abwärme wird dabei beispielsweise in der Landwirtschaft oder zur Holztrocknung genutzt, regionale Wertschöpfungskreisläufe werden in Gang gesetzt. Bioenergie ein Schritt in Richtung Unabhängigkeit.
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