
Im Teil 1 (veröffentlicht am 23.03.2025), haben wir uns mit dem Konzept und der Vision der ReGen Villages sowie deren technologischen und ökologischen Elementen beschäftigt.
Im heutigen Teil 2 geht es um
- den aktuellen Stand der Umsetzung von Pilotprojekten,
- Herausforderungen bei der Verwirklichung von Projekten,
- ähnliche existierende Konzepte und die Unterscheidungen zu diesen.
Umsetzung: Pilotprojekte und aktueller Stand
Noch befindet sich ReGen Villages in der Pilotphase. Wer danach diesen Projekten im Internet und in den Medien sucht, stößt unweigerlich auf „Almere“. Fantastische Visualisierungen des Projektes machen Lust auf mehr. In Almere (Gebiet Oosterwold in den Niederlanden, rund 25 km östlich von Amsterdam) soll eine ReGen-Siedlung mit zunächst etwa 100 Wohneinheiten entstehen.
Noch bevor der erste Spatenstich erfolgte, hatten sich Tausende interessierte Familien auf einer Warteliste registriert, um dort einzuziehen. Dieser Andrang zeigt, dass es ein großes öffentliches Interesse an neuen Wohnformen jenseits der konventionellen Stadt gibt.
Stand heute (2025) ist das Pilotdorf in Almere allerdings noch nicht vollendet. Der Siedlungsaufbau erfordert Zeit für Infrastruktur, den Bau der Häuser und die Installation der technischen Systeme.
Bisher gibt es keine offiziell bezogene ReGen-Siedlung, doch in Almere sind die wichtigsten Grundlagen geschaffen und einzelne Systemkomponenten im Testbetrieb. Das niederländische Pilotprojekt gilt als wegweisender Proof of Concept: Hier will ReGen Villages demonstrieren, dass das integrierte System im Alltag funktioniert.
Parallel dazu wurden bereits Absichtserklärungen für weitere Standorte unterzeichnet. In den nächsten Jahren sollen ReGen Villages auch in Schweden, Dänemark, Norwegen und Deutschland entstehen. Langfristig gibt es sogar Pläne für Projekte in Nahost (z. B. Dubai, Saudi-Arabien), Asien und Nordamerika. Diese Ausbaupläne unterstreichen die globale Skalierungsabsicht: Das Modell soll an unterschiedliche Klima- und Kulturregionen angepasst und weltweit verbreitet werden, sofern der Pilot erfolgreich ist. Bis zur ersten bezugsfertigen ReGen-Gemeinschaft bleibt es jedoch spannend, ob alle Systeme wie erhofft zusammenspielen und sich das Geschäftsmodell trägt.
Herausforderungen bei der Verwirklichung
Warum lassen sich ReGen Villages nicht einfach sofort überall aus dem Boden stampfen?
Weil das Konzept trotz vorhandener Technik mit einigen Herausforderungen konfrontiert ist, die es Schritt für Schritt zu lösen gilt:
- Regulatorische Hürden: Eine autarke Siedlung sprengt den Rahmen üblicher Bauvorschriften und Verwaltungsprozesse. Genehmigungsbehörden müssen bereit sein, unorthodoxe Lösungen zuzulassen – vom Abwasser ohne Kanalanschluss über die Abfallentsorgung bis zur Energieversorgung außerhalb der öffentlichen Netze, für die regelhaft Anschluss- und Benutzungszwänge vorgeschrieben sind. Dazu gehören auch Stellplatzsatzungen für Autos, 100 Wohneinheiten brauchen nach den lokalen Stellplatzsatzungen 150 nachgewiesene Parkplätze – und mehr.
Gründer James Ehrlich betont, die größte Herausforderung sei es, das Status quo -Denken zu überwinden und bei Gemeinden sowie Genehmigungsbehörden bis hoch in die Regierungen ein fortschrittliches Umdenken zu erreichen.
Es braucht neue rechtliche Rahmenbedingungen, die innovative Wohnformen ermöglichen, ohne Sicherheit und Standards zu vernachlässigen. Behörden begegnen dezentralen Konzepten mit Zurückhaltung oder Skepsis – die Vorstellung, zentrale Versorgungsnetze zu umgehen, ist nun mal ungewohnt und – meist – in den Gesetzen nicht vorgesehen. - Wirtschaftliche Faktoren: Auch finanziell gehen ReGen Villages neue Wege. Die Entwicklung solcher komplexer Ökodörfer erforderte erhebliche Investitionen in Landkauf, Infrastruktur, Technologie und Planung. Anfangs sind die Baukosten höher als bei konventionellen Wohnsiedlungen – High-Tech-Gewächshäuser, Solaranlagen, Speicher und Wasserrecyclinganlagen treiben die Kosten in die Höhe. Zwar konnten Großinvestoren (z. B. nachhaltigkeitsorientierte Fonds) für das Pilotprojekt in Almere gewonnen werden, doch für eine breite Umsetzung muss das Modell wirtschaftlich attraktiv werden. Gründer Ehrlich möchte beweisen, dass „Profit durch Nachhaltigkeit“ möglich ist und klassische Immobilienentwickler vom neuen Ansatz überzeugen. Wenn in Serie produziert, könnten die Häuser günstiger werden; Darüber hinaus verspricht die völlige Entkopplung von monatlichen Nebenkosten (Strom, Wasser, Heizung) langfristige finanzielle Vorteile für die Bewohner. Dennoch bleibt die Kapitalbeschaffung und Kostenreduktion eine zentrale Aufgabe, damit ReGen Villages skaliert werden können.
- Technische Komplexität: Obwohl alle Einzeltechnologien verfügbar sind, ist die Systemintegration eine Herausforderung. Die Landwirtschafts-, Energie-, Wasser- und Abfallsysteme müssen zuverlässig und im Zusammenspiel funktionieren. Ein Ausfall könnte im schlimmsten Fall die Selbstversorgung stören – daher sind Backup-Lösungen nötig (z.B. Batteriespeicher für stromarme Zeiten, externer Anschluss für Notfälle).
Es gibt bisher keine Blaupause für ein voll funktionsfähiges ReGen-Village. Das bedeutet auch, dass Lernprozesse einkalkuliert werden müssen. Technologische Hürden liegen weniger in der Erfindung neuer Geräte, sondern im Feintuning: Wie erreicht man optimale Erträge in der Aquaponik? Wie motiviert man Bewohner, das System aktiv mitzutragen? Solche Fragen werden erst im Alltagstest beantwortet. - Soziale Akzeptanz: Nicht zuletzt ist ein Dorf nur so gut wie seine Gemeinschaft. Das Leben in einer hochvernetzten Ökosiedlung unterscheidet sich vom anonymen Stadtleben – es erfordert mehr Interaktion, Engagement und Wissen der Bewohner. Für manche mag dies gerade der Reiz sein, andere – besonders auch die alteingesessenen Nachbarn werden Berührungsängste haben und müssen im Vorfeld überzeugt werden.
Künftige Bewohner bereit sein, sich auf ein experimentelles Wohnmodell einzulassen. Erfolgreiche Gemeinschaftsbildung und Bildungsarbeit (z. B. Workshops zum Betreiben der Aquaponik) sind daher Schlüsselfaktoren. Misslingt dies, können Konflikte oder Fehlbedienungen die Nachhaltigkeitsziele gefährden. Auch hier wird der Pilot Erfahrungswerte liefern.
Diese Punkte zeigen: Der Weg vom Konzept zur Realität ist anspruchsvoll. Dennoch überwiegt bei den Initiatoren des Optimismus, dass die Probleme lösbar sind. „Alle notwendigen Materialien und Komponenten sind bereits vorhanden – es ist auch physikalisch machbar“, so Gründer Ehrlich. Die eigentliche Arbeit liege darin, bestehende Strukturen aufzubrechen und Menschen wie Institutionen von einem anderen Wohn-Zukunftsmodell zu überzeugen.

Ähnliche Konzepte in der Praxis
Die Idee autarker Ökosiedlungen ist nicht völlig neu – bereits in der Vergangenheit gab es Projekte und Gemeinschaften, die in Teilen das verwirklichen, was ReGen Villages nun im großen, technisch angepassten Maßstab umsetzen will.
Einige Beispiele:
- Earthship-Häuser: Schon in den 1970er Jahren entwickelte der amerikanische Architekt Michael Reynolds das Earthship -Konzept als radikal nachhaltige Bauweise. Ein Earthship ist ein aus lokalen Recycling-Materialien errichtetes Wohnhaus, das vollständig netzunabhängig funktioniert. Es verfügt über ein integriertes Gewächshaus, sammelt Regenwasser, nutzt Solar- und Windenergie und hat Komposttoiletten – externe Strom-, Wasser- oder Heizungsanschlüsse sind überflüssig. Reynolds erstes energieautarkes Haus entstand 1971 in New Mexico aus weggeworfenen Materialien. Was damals belächelt wurde, verbreitete sich mittlerweile weltweit: In vielen Ländern gibt es Earthship-Siedlungen und -Communities, die zeigen, dass das Konzept prinzipiell machbar ist. Allerdings sind Earthships eher Low-Tech und individuell geprägt, während ReGen Villages einen High-Tech- und nachbarschaftlichen Ansatz verfolgen
- BedZED (Großbritannien): Ein realisiertes Vorzeigeprojekt für nachhaltiges Bauen auf Nachbarschaftsebene ist BedZED in London. BedZED (Beddington Zero Energy Development) wurde 2000–2002 in einem Vorort Londons gegründet und war die erste größere CO₂-neutrale Wohnsiedlung weltweit. Sie umfasst rund 100 Wohnungen plus Büros und Gemeinschaftseinrichtungen. BedZED setzt auf eine dichte Bebauung mit Passivhaus-Standard, Solarzellen, einer Bioenergie-Anlage und einem ausgeklügelten Design für natürliche Belüftung und Tageslichtnutzung. Gegenüber dem britischen Durchschnitt konnte der Energieverbrauch für Heizung um 88 % reduziert werden; Auch Wasserverbrauch und Müllaufkommen liegen deutlich niedriger. BedZED beweist, dass klimafreundliches Wohnen im städtischen Kontext umsetzbar ist und dient bis heute als Inspiration für ökologische Wohnprojekte weltweit. Im Unterschied zu ReGen Villages ist BedZED jedoch nicht autark – es ist ans städtische Netz angebunden und produziert nicht alle Lebensmittel selbst –, aber es zeigt wichtige Teilaspekte (Energieautarkie, Gemeinschaftseinrichtungen) bereits erfolgreich auf.
- Ökodorf Sieben Linden: Auch in Deutschland gibt es Pioniere nachhaltigen Zusammenlebens. Ein bekanntes Beispiel ist das Ökodorf Sieben Linden in Sachsen-Anhalt, gegründet 1997. Auf einem 120 Hektar großen Gelände aus Wald, Feldern und Gärten leben dort etwa 100 Erwachsene und 40 Kinder in einer gemeinschaftlichen Siedlung. Die Bewohner bauen einen Großteil ihrer Lebensmittel selbst an und haben einen Lebensstil mit sehr kleinem ökologischem Fußabdruck etabliert – nach eigenen Angaben benötigt Sieben Linden nur etwa ein Drittel der Ressourcen eines durchschnittlichen deutschen Haushalts. Die Häuser sind aus Strohballen, Lehm und anderen natürlichen Materialien gebaut; Solarenergie liefert den Großteil von Strom und Warmwasser, geheizt wird mit lokalem Holz. Es gibt Komposttoiletten und vielfältige Biotopflächen zwischen den Gebäuden für Insekten und Vögel. Sieben Linden zeigt, dass nachhaltiges Leben in Gemeinschaft realisierbar ist – allerdings setzt man dort mehr auf einfache Technik und Verhaltensänderungen als auf High-Tech. Dennoch teilen Ökodörfer wie Sieben Linden und ReGen Villages viele Ziele, etwa die Selbstversorgung, Gemeinschaftlichkeit und Resilienz gegenüber externen Krisen.
https://www.tagesschau.de/inland/mittendrin/oekodorf-sieben-linden-sachsen-anhalt-100.html
Diese Beispiele verdeutlichen: Elemente des ReGen-Village-Konzepts wurden bereits erfolgreich umgesetzt – sei es in individuellen Autark-Häusern, in städtischen Öko-Quartieren oder in gemeinschaftlichen Dorfallianzen. ReGen Villages versucht, das Beste aus all diesen Ansätzen zu vereinen und auf das nächste Level zu heben: Ein skalierbares, datengesteuertes Siedlungsmodell, das Nachhaltigkeit und modernen Komfort in Einklang bringt. Ob dieses ambitionierte Vorhaben in der Praxis voll voranschreitet, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Gelingt der Pilot in Almere, könnte ReGen Villages tatsächlich zu einem Vorbild für künftige Wohnsiedlungen werden – zu grünen Oasen, in denen Technik und Natur zum Wohle der Bewohner Hand in Hand arbeiten.
Weiterführende Links:
https://www.effekt.dk/regenvillages
https://except.eco/projects/regen-villages-oosterwold
https://www.emsa.com/blog/regen-village-das-selbstversorgende-dorf-wird-wirklichkeit
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